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Was ist der Zweck von Erziehung? Das fragt sich Neurowissenschaftlerin Dr. Marcia Goddard in ihrem Ted Talk über die pädagogischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Ihr Statement ist klar: Wir müssen der Generation Z, unseren Kindern, konkrete Fähigkeiten vermitteln, um sie vor den Schwierigkeiten der neuen Arbeitswelt zu wappnen. Fähigkeiten, die ihnen ein Leben lang nützen werden. Ein wichtiges Thema, nicht nur für Eltern, sondern auch für Arbeitgeber. Doch eignet sich unser Bildungssystem überhaupt noch dazu?

Marcia Goddard

Der Hintergrund: Alte Lösungen und neue Probleme

Unser aktuelles Bildungssystem wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt, als Noten und Prüfungsergebnisse ausschlaggebend für Erfolg oder Misserfolg waren. Das Konzept war den Ansprüchen der damaligen Zeit angepasst, es hat seinerzeit prima funktioniert. Die Kinder von damals, das sind wir, die alte Generation, die Erwachsenen von heute.

Es liegt in der Natur des Menschen, sich unterbewusst nur das zu merken, was in der Vergangenheit erfolgreich war. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass unser Gehirn nicht hoffnungslos überfordert wird. Wir kommen also gar nicht auf die Idee, Altbewährtes zu ändern. Wieso auch?

Doch die Zeiten ändern sich und die Ansätze von gestern sind keine Lösungen mehr für die Probleme von morgen, für die neue Arbeitswelt. Probleme, die wir, die alte Generation, nicht einmal erahnen können, weil sie mit dem technischen und strukturellen Wandel des 21. Jahrhunderts einherkommen. Probleme, für deren Lösung wir die Generation Z besser früher als später mit entsprechenden Fähigkeiten ausstatten müssen.

Kommunikation als Schlüssel zur neuen Arbeitswelt

Wie wir das anstellen können? Dazu hat die Neurowissenschaftlerin eine klare Antwort. Wir sollten aufhören, lösungsorientiert zu denken, und uns stattdessen auf den Prozess konzentrieren. Nicht die Ergebnisse zählen, sondern der Weg, wie diese erreicht werden. Nicht externe Faktoren wie Noten oder Ergebnisse sollten über den akademischen Erfolg eines Kindes bestimmen, sondern das, was es dabei gelernt hat.

Doch das ist leichter gesagt als getan, denn unbewusst kommunizieren wir unserem Nachwuchs genau das Gegenteil davon, sowohl in der Schule als auch Zuhause. So sind wir eben aufgewachsen, so wird es auch mit der Generation Z sein. Oder nicht?

Beispiel Klassenzimmer. Jedem Lehrer ist es, und das liegt in der Natur der Sache, daran gelegen, dass alle Kinder ihre Aufgabe lösen. Er hilft denen, die Schwierigkeiten haben, und lobt die, die es allein geschafft haben. Doch wo bleibt das Feedback für die Kinder, denen Lernen leicht fällt, wo bleibt die Reflektion über ihren gewählten Lösungsansatz?

Beispiel Wohnzimmer. Der Junior baut das Legoauto schon wieder nicht genau nach der Anleitung zusammen und es zuckt uns schon in den Fingern, einzugreifen. Doch wenigstens das Grundgerüst sollte richtig aufgebaut sein! Wir vermitteln ihm also das Gefühl, dass er nur dann schlau ist, wenn er das Auto richtig aufbaut, und verlieren den eigentlichen Lernprozess vollständig aus den Augen. Den Lernprozess, der das Kind für die neue Arbeitswelt wappnen kann.

Im Gespräch mit der Generation Z: Framing als Lösungsansatz

Hinter all dem steht ein Konzept, das sich Framing nennt. Es besagt, dass die Art und Weise, wie wir kommunizieren, also wie wir uns ausdrücken, die Information beeinflusst, die wir eigentlich vermitteln wollen. Goddard erklärt das an einem simplen, aber dramatischen Beispiel. Wenn du die Wahl hättest, von 600 Menschen 200 zu retten oder 400 zu töten, was würdest du tun?

Es gilt also, sich der Sprache bewusst zu sein, die wir gegenüber unseren Kinder benutzen und Framing so zu unserem Vorteil einzusetzen. Offen zu kommunizieren, dass es darauf ankommt, was man gelernt und nicht, was man erreicht hat. Offen mit Fehlern oder Wissenslücken umzugehen, die nicht vermieden, sondern geschätzt werden sollten. Denn wie können wir der Generation Z besser beibringen, dass es okay ist, etwas nicht zu wissen oder zu können, als zuzugeben, dass es bei uns nicht anders ist? Auf diese Weise zeigen wir, dass das Endergebnis keine Rolle spielt, sondern dass der Weg dahin zählt. Ein Weg, der unsere Junioren in eine neue Arbeitswelt führen wird.

Mit Wachstumsdenken Ziele erreichen

Es ist genau diese Herangehensweise an Probleme, die der Generation Z dabei helfen wird, sich mit den Herausforderungen ihrer Zeit auseinanderzusetzen. Ihre Ziele zu erreichen, ohne den verinnerlichten Druck einer lösungsorientierten Erziehung zu spüren.

Growth Mindset, nennt Goddard es. Wachstumsdenken. Angeborenes Talent ist nur der Startpunkt, von dem aus man sich durch Hingabe und harte Arbeit weiterentwickelt. Kinder kommen mit dieser Art zu denken auf die Welt. Sie lernen Laufen, obwohl sie jeden Tag dabei um die hundert Mal hinfallen, denn es ist für sie keine Option, es nicht zu lernen. Wir Erwachsenen können in dieser Hinsicht viel von der Generation Pampersbomber lernen. Auch wenn etwas beim ersten Mal nicht klappt, dann vielleicht beim zweiten. Oder dritten. Wer weiß, welche Erfolge auf uns warten, wenn wir auf dem Weg dahin nicht aufgeben. Wenn wir uns wirklich auf den Weg konzentrieren, den Prozess.

I cannot do it, yet. Ich kann es noch nicht, mit Betonung auf noch.

Diese Denkweise ist einer der wertvollsten Schätze, die wir unseren Kindern mit auf den Weg in die neue Arbeitswelt geben können.

Auswirkungen für den heutigen Arbeitsmarkt

Die Neurowissenschaftlerin erkennt in diesem Ansatz übrigens auch Auswirkungen für den heutigen Arbeitsmarkt und die Art und Weise, wie Unternehmen Personalentscheidungen treffen. Hire for attitude, train for skills. Es kommt nicht darauf an, welche Noten ein Kandidat in der Ausbildung hatte oder welche Ergebnisse er bereits erzielt hat. Wichtig ist seine Bereitschaft, zu lernen, und sich gemeinsam mit dem Unternehmen zu entwickeln.

Die Theorie des Wachstumsdenkens ist natürlich kein Wundermittel, das unser akademisches System von jetzt auf gleich optimieren kann. Oder unsere Kinder Höchstleistungen erbringen lässt. Selbstverständlich gibt es Talente, ohne Frage werden einige immer besser sein als andere. Aber vielleicht kommt es auch gar nicht darauf an. Wachstumsdenken ist ein wertvoller Gedanke, ein Kommunikationsansatz, den wir dazu nutzen können, um der Generation Z das nötige Selbstbewusstsein und die Fähigkeiten zu vermitteln, damit sie es mit den Herausforderungen ihrer Zeit aufnehmen kann. Damit sie sich in der neuen Arbeitswelt behaupten kann. Denn das ist schließlich der Zweck von Erziehung.

 

Dr. Marcia Goddard, soziale Neurowissenschaftlerin bei YoungCapital, beschäftigt sich mit der Zukunft der Arbeit und den menschlichen Auswirkungen technologischer Innovationen. Mehr Informationen zu diesem Thema erhalten Sie in Dr. Goddards TEDx Vortrag "Teach like a toddler: how to bring education in the 21st century" . 

 

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